CLARA & CHRISTOPH
Christoph, 71 Jahre alt, engagiert sich schon seit DDR-Zeiten klimaaktivistisch. „Es ist insofern gar nicht zu übersehen gewesen, wie groß die Umweltschäden waren”, erzählt er. Die spürbare Umweltbelastung und sein kirchlicher Hintergrund bringen ihn zur “Ökologischen Arbeitsgruppe” in Halle (Saale). Dort waren viele oppositionelle Gruppen aktiv, weil die Kirche in der DDR einige Freiheiten genoss: Das SED-Regime hat den Eindruck einer Kirchenverfolgung im Ausland vermieden. Die 18-jährige Clara ist seit drei Jahren bei Fridays For Future Halle dabei. Sie gerät über Freund*innen zu der lokalen Gruppe und bleibt, um für ihre Zukunft und gegen strukturelle Diskriminierung zu kämpfen. In ihren Zielen ähneln sich Clara und Christoph: Sie wollen die Erde als lebenswerten Ort erhalten. Jedoch unterscheidet sich ihr Aktivismus aufgrund ihres Altersunterschiedes, familiären Hintergrundes und ihrer Lebensumstände. Werden sie trotzdem einen gemeinsamen Handlungsraum finden?
ORGANISATION
Clara engagiert sich bei Fridays For Future Halle und damit in einer von 500 Ortsgruppen in Deutschland, welche sich dezentral organisieren. In zumeist wöchentlichen Plena planen sie Proteste, Veranstaltungen oder beraten sich zu aktuellen Themen. Entscheidungen treffen sie dabei meist im Konsens und folgen in aller Regel demokratischen Prinzipien. Aufgaben verteilen sie unter den Plena-Teilnehmer*innen, welche sich in verschiedenen Arbeitsgruppen („AGs“) formieren.
Christoph ist ebenfalls in einer dezentral organisierten Umweltgruppe aktiv gewesen. Zu dieser Zeit hat es viele kleine Gruppen an verschiedenen Orten gegeben, eine zentrale Organisation jedoch nicht. Erst 1988 kam es zu einem Vernetzungstreffen in Berlin.
In der DDR bewegte sich ihr Aktivismus am Rande der Legalität, so wie jede politische Betätigung außerhalb der staatlichen Möglichkeiten. Ein Demonstrationsrecht oder ein Recht auf freie Meinungsäußerung gab es zu dieser Zeit praktisch nicht.
So erzählt Christoph Kuhn, dass korrekte Umweltdaten nicht zugänglich waren und ihre ökologische Kritik mit Systemkritik allgemein gleichgesetzt wurde. Deswegen arbeiteten viele oppositionelle Gruppen in den Räumen der Kirche, wo sie weniger unter Beobachtung standen. Die Organe des Regimes wollten es vermeiden, dass im Ausland der Eindruck einer kirchlichen Verfolgung entsteht – zum Vorteil für die in der Kirche agierenden Gruppen, erzählt die Historikerin Anne Kupke. Sie ist die Tochter von ÖAG-Mitglied Wolfgang Kupke. Sie arbeitet heute in dem Verein Zeit-Geschichte(n) e.V. in Halle und dokumentiert dort unter anderem die Arbeit der Ökologischen Arbeitsgruppe. In einem Interview erzählt sie, dass die ÖAG seit Anfang der 80er Jahre existiert. „Zunächst trafen sie sich in der Petrus-Gemeinde in Kröllwitz, später in der Georgengemeinde, wo sie Themenabende veranstaltet haben. Erstmal ging es darum, Informationen zu beschaffen und weiterzugeben, weil diese nicht frei verfügbar waren. Die Umweltprobleme der DDR waren jedoch offensichtlich: Die Saale hat gestunken, es gab keine Fische und regelmäßig bildete sich Schaum auf der Oberfläche. Auch die Luftverschmutzung ging nicht an der Bevölkerung vorbei: Es gab Orte rings um Halle, wo man das Gemüse nicht essen oder es gar nicht erst anbauen konnte“, führt Kupke weiter aus.
Wie auch die Fridays For Future-Gruppen heute traf sich die Ökologische Arbeitsgruppe in Halle auch regelmäßig zum Plenum. Die Gruppe hatte zwar einen zentralen Sprecher, Henry Schramm, gelangte aber ebenfalls durch Diskussion und Abstimmungen zu Entscheidungen.